TOPSITE des Monats August 96:
MEMOPOLIS
Geisterstadt und Friedhof im Internet

Was Raoul Kaufer und Peter Nowotny von der "Gesellschaft für Untertagebau,
Regensburg" hier in ihrem virtuellen Friedhof "MEMOPOLIS" inhaltlich und
grafisch bieten, würde ohne Zweifel auch international riesige Anerkennung
finden. Wir hatten Memopolis schon vor einiger Zeit in Kultur Online
gelobt. Als ich die Seiten jetzt noch einmal erneut besucht (und in aller Ruhe später
offline betrachtet habe), erschlossen sich jedoch ganz unerwartet
ungeheuer viele Feinheiten und neue (vergessene? in der Surf-Hektik übersehene?) grafische Highlights.
Memopolis ist wirklich bis ins kleinste Detail mit sehr viel inhaltlichem
Engagement und bei allen Grafiken und
Hintergründen mit großer ästhetischer Überzeugungskraft gestaltet worden.
Das Angebot für Besucher, in Memopolis Grabkammern zu mieten und
dort teils private (paßwortgeschützte), teils öffentlich zugängliche
Texte, Grafiken etc. für die "Ewigkeit zu deponieren", haben noch nicht
so extrem viele in Anspruch genommen. Knapp 50 Memorials sind
jetzt belegt.
Das Thema "Tod" im Internet aufzugreifen, belegt Mut oder auch
Ironie und Distanz gegenüber "Einschaltquoten". Auch der Vortrag von
Raoul Kaufer "Diesseits des Todes: computergestützte Verewigung und
Erinnerung" dokumentiert nicht gerade Populismus bei der Themenwahl und
-Präsentation. Da sind die Seiten der
"Kuh Rosa" mit dem Kuriositäten-Kabinett zum Thema Tod
(Todesanzeigen und "heitere" Grab-Inschriften) vermutlich schon eher
geeignet, Besucher anzulocken. Beim Lesen dieser Texte kann man nicht
umhin, sich zu amüsieren.
"Hier liegt in süßer Ruh,
erdrückt von seiner Kuh,
Franz Xaver Maier. Daraus sieht man,
wie kurios man sterben kann."
Nicht nur die Todesarten sind kurios, sondern auch die Nachrufe, mit denen
so manche Alpenländler ihre Grabkreuze zierten.
Tatsächlich wird dabei aber - wie die Memopolis-Gestalter es
ankündigen -"gleichzeitig auch ein Licht auf unsere (kulturellen)
Vorurteile und Tabuvorstellungen" geworfen".
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