Der Grund dafür ist, daß der Geist normalerweise nicht gewohnt ist, ausgeglichen zu sein. Vielmehr ist der uns allen vertraute Zustand der, daß ständig Gedanken aufkommen, und daß unser Geist ständig damit beschäftigt ist, diesen spontan und kontinuierlich entstehenden Gedanken nachzugehen. Wir sind abgelenkt: Gedanken, Verwirrung, Ruhelosigkeit... Das ist der uns vertraute, selbstverständliche Geistes-Zustand. Weil unser Geist so daran gewöhnt ist, immer unruhig und in Bewegung zu sein, ist Meditation in diesem Zustand des Geistes etwas Unnatürliches. Wir sind es nicht gewöhnt, und es entspricht nicht dem, was wir normalerweise erleben. Aus diesem Grunde ist Meditation für uns etwas, um das wir uns angestrengt bemühen müssen; es fehlt das spontane Interesse daran. Es ist so wie wenn man Schwimmen lernt. Wenn man es einmal gelernt hat, ist es leicht. Aber bis dahin...
Um es zu lernen, braucht man Geduld und Fleiß. Um in der Meditation Resultate zu erzielen, ist primär Fleiß notwendig und vor allem auch das Wissen darüber, wie man meditieren sollte.
Der von uns verwendete Begriff »Meditation« ist sehr vage und kann in vielerlei Hinsicht verstanden werden. Mit dem dafür verwendeten tibetischen Begriff »Gom« ist es anders. Er bezieht sich darauf, daß der Geist einsgerichtet ist, daß ein stabiler, klarer, nicht verwirrter oder abgelenkter Geist erlebt wird.
Den Geist in einen bestimmten Zustand zu versetzen, wo man besondere Dinge erlebt, Visionen hat, Lichter sieht, fantastische Dinge erlebt, ist nicht das, worum es bei Meditation geht. Es geht nicht darum, den Geist zu so etwas zu bringen. Viele Leute haben ja die Vorstellung, daß man bei Meditation besondere Visionen und fantastische Erlebnisse hat. Sie versuchen, eine Vision zu erzeugen, nehmen vielleicht LSD dafür. Sie versuchen, ein bestimmtes Gefühl im Körper zu erzeugen, spielen Musik dabei, und denken dann das wäre Meditation. Das sind aber alles nur verschiedene Gefühle die man kreiert und erlebt. Es hat nichts mit Meditation zu tun, denn der Geist ist ja immer noch abgelenkt und mit allen möglichen Dingen beschäftigt. Die Meditation auf den achten Karmapa wird ja auch oft so verwendet, daß man sich vorstellt, wie alle möglichen Dakinis durch den Himmel schwirren... Ich hatte Anfang der 70er Jahre einige Freunde, die sich von mir die Meditation auf den achten Karmapa erklären ließen. Sie gingen nach Hause, nahmen LSD, stellten Musik an und machten dann die Meditation. Sie dachten vielleicht, die Dakinis könnten mit Musik besser tanzen. Das ist nicht das, was ich Euch vermitteln möchte.
Worum geht es also tatsächlich bei Meditation? Es geht darum, daß wir fähig werden, den Geist in seinem natürlichen Zusatnd, den Geist als solchen, seine eigentliche Natur zu erleben. Daran hindern uns bis jetzt die unaufhörlich im Geist ablaufenden Gedankenprozesse. Man kann hier zwei Ebenen unterscheiden:
Einerseits orientiert sich der Geist ständig an äußeren Erlebnissen, an Gerüchen, Formen, Lauten etc. Diese Erfahrungen unserer Sinneswahrnehmungen sind die eine Ablenkung. Unser Geist ist ständig damit beschäftigt, äußere Objekte, die äußere Welt zu erleben. Es entzieht sich unserer Kontrolle, den Geist hier ruhig zu halten. Warum? Weil unser Geist ständig dabei ist, sich innerlich darauf zu beziehen - die zweite Ebene. Unser Geist denkt ständig und ist daran gewöhnt, den Gedanken nachzugehen. Deswegen sind wir nicht fähig, die Sinneswahrnehmungen, bei denen sich der Geist ja nach außen richtet, im Griff zu halten.
Wenn es uns gelingt, unsere ständigen Gedanken in den Griff zu bekommen, ist auch die erste Ebene kein Problem mehr, denn die Ablenkung ist dann nicht mehr vorhanden. Es stört dann nicht, die Sinneswahrnehmungen zu erleben. Es geht darum, daß wir unsere ständig ablaufenden Gedanken dadurch in den Griff bekommen, daß wir lernen, den Geist konzentriert zu halten. Hat man das gemeistert, sind auch die ganzen Sinneswahrnehmungen keine Ablenkung mehr für den Geist.
Wenn man diese Konzentration einmal erlangt hat, kann man davon ausgehend in immer tiefere, ruhigere Geistes-Zustände eindringen. Ihr hattet diesen Zustand bisher nicht. Wenn Ihr diese Stufe einmal erreicht habt, wird der Geist sehr weit und wirklich ruhig und tiefgründig. Es ist als ob man eine Tür im Geist öffnet, dann alle anderen Türen nacheinander öffnen und immer weiter gehen kann. Man hat eine Art Supersinn für die eigentliche Qualität des Geistes entwickelt. Aus diesem Grund ist im Theravada die Meditation so aufgebaut, daß die Praktizierenden nur sechs bis sieben Stunden schlafen und den Rest der Zeit meditieren. Sie ist so aufgebaut, damit man die Wirkung der Geistesruhe in kurzer Zeit erreicht. (Es geht hier nicht um eine bestimmte Richtung wie beispielsweise in Thailand, sondern um die generelle Weise, wie im Theravada praktiziert wird.) Ab ein Uhr mittags essen sie nichts mehr, und sie dürfen nur leichte Getränke ohne großen Nährwert zu sich nehmen. Wasser, Tee, Milch - Getränke in denen sich das eigene Gesicht wiederspiegelt - sind erlaubt, nicht aber schwere Suppen oder Yoghurt. Wenn man ab mittags nichts mehr zu sich nimmt, ist der Geist klarer, weniger schläfrig, was für die Meditation sehr förderlich ist.
Dies gibt dem Geist viel Stärke und Klarheit, so daß alle, die Meditation üben, dies auch so tun sollten. Erst am nächsten Morgen kann man dann wieder essen. Ab etwa halb elf Uhr abends kann man schlafen gehen und wieder früh morgens gegen fünf Uhr aufstehen. Dies mag heutzutage nicht so passend sein, aber damals taten sie es so, weil das Meditations-Programm dafür organisiert war, in sehr kurzer Zeit etwas zu erreichen. Diejenigen, die diese Form gewählt haben, taten es, weil sie vom Buddha die Belehrung bekommen haben, daß Samsara entsetzlich ist, voller Leiden, daß man in Samsara nichts erreichen kann. Dies haben sie betont, und sie neigen von Natur aus dazu, was der Buddha über Samsara sagte, voll zu akzeptieren. Sie ziehen sich völlig aus Samsara zurück und konzentrieren sich auf Meditation. Wenn sie dann etwas erlangt haben, sind sie zufrieden und kümmern sich nicht so sehr um die fühlenden Wesen. Sie haben auch nichts dagegen, daß etwas für die Wesen getan wird, aber sie nehmen nicht die Einstellung an: "Ich werde die Probleme der fühlenden Wesen lösen." Sie wollen nur so schnell wie möglich etwas in der Meditation erlangen.
Wir jedoch essen nachmittags und abends, denn wir sind Bodhisattvas. (Lachen) Da Bodhisattvas nicht so viel an sich denken, haben sie es nicht so eilig, ihr eigenes Ziel schnell zu erreichen. (Lachen)
Die Eigenschaft der Bodhisattvas ist ja, daß sie keine Angst davor haben, immer wieder geboren zu werden. Sie kommen immer wieder zurück und sind auch bereit dazu. Sie wollen immer wieder geboren werden. Deswegen streben sie auch nicht nach einer Form von Meditation, die das abschneiden würde. Dies nämlich geschieht im Theravada-Fahrzeug. Wenn man dem Meditations-programm dort ganz systematisch folgt, wird man unausweichlich bewirken, daß man nicht mehr in Samsara wiedergeboren werden kann. Es ist abgeschnitten. Selbst wenn man es wollte, könnte man nicht mehr wiedergeboren werden.
Durch den Aufbau ihrer Meditation erreichen sie sehr konzentrierte Zustände und sind deswegen fähig, die analytische Ebene der Meditation einzusetzen und damit ihre Geisteszustände zu analysieren. Wenn sie die Kraft analytischer Meditation erlangt haben, sind sie in der Lage, die Natur der Geistesgifte - sei es Zorn, Begierde, Eifersucht, Neid oder was auch immer - genau zu erkennen. Man kann das damit vergleichen, daß man aus einem Traum erwacht und dann feststellt, daß das Erlebte keine Wirklichkeit besitzt. Das Erlebte verschwindet, weil es nicht wirklich existierte. Man muß es nicht wegdrängen oder entfernen.
So ähnlich ist es, wenn sie die analytischen Methoden auf die einzelnen Geistesgifte anwenden, und fähig werden, die störenden Emotionen zu durchschauen, zu sehen, daß sie eigentlich nicht existent sind. Sie erfassen die eigentliche Natur der störenden Emotionen und aus diesem Verständnis heraus entfernen sie die Ursache, die sonst eine Wiedergeburt in Samsara bewirkt hätte. Wenn sie sterben, geht ihr Geist in Meditation, und sie können nicht mehr wiedergeboren werden. Diese Illusion ist vorbei.
Wir benutzen also den Ausdruck »Meditation« und der gebräuchliche tibetische Ausdruck dafür ist »Gom«. Es gibt aber im Tibetischen noch ein präziseres Wort und zwar »Tingedzin« (Sanskrit: Samadhi). »Ting« bedeutet Tiefe, »Tinge« ist eine verschliffene Aussprache davon und heute ein normales Wort. Es bedeutet, daß man fähig ist, die Tiefe des Geistes unbeweglich zu erleben. »Dzin« bedeutet »halten«. Es geht also darum, fähig zu sein, das Erlebnis des unerschütterlichen Zustand der Tiefe des Geistes zu halten.
Ein weiterer tibetischer Ausdruck für Meditation ist »Samten«. »Samten« bedeutet, einen stabilen Geistes-Zustand zu erleben. Es gibt hier, genau wie bei »Tingedzin«, alle möglichen Stufen. Wenn Ihr einen tibetischen Lehrer um Meditations-Belehrungen fragt und ihn bittet, etwas über »Gom«, Meditation generell, zu sagen, so wird er Euch etwas sagen können. Wenn ihr aber fragt: »Erzähle mir etwas über Tingedzin«, wird er etwas panisch reagieren, außer er ist ein guter Meditierender oder sehr gelehrt. Dies kann passsieren, wenn man nach Tingedzin oder Samten fragt, außer der Lehrer ist sehr gut. Der Grund dafür ist, daß er denkt, daß ihr es kennt (Lachen).
Im Theravada-Weg geht man zuerst die Stufen von Samten, von konzentrativer Meditation, durch und dann die Stufen von Tingedzin. Sie haben einen bestimmten Aufbau, eine bestimmte Art von Stufen.
Bodhisattvas gehen in der Meditation ähnlich vor. Auch hier geht man die Stufen der Konzentration (Samten) durch, dann die Stufen von tiefer Meditation (Tingedzin). Hat man als Bodhisattva dann diese Stufe erreicht, so hat man damit die Fähigkeit, die erlangte Geistesruhe in breitem Umfang zu nutzen, um den Wesen zu helfen. Beim Theravada-Weg ist man auf dieser Stufe ganz darauf ausgerichtet, so schnell wie möglich die eigene Befreiung zu erreichen.
Wir reden jetzt hier über Tingedzin und Samten. Wenn man aber die entsprechenden Erfahrungen noch nicht selbst gemacht hat, kommt man nicht sehr weit mit der Kommunikation, auch wenn unsere menschliche Sprache der Katzensprache etwas voraus ist (Lachen).
Es ist von daher angebrachter, die analytische Art der Meditation zu besprechen, wie man also die Meditation auf die normalen Gedanken und den Geist anwendet, so wie auch die richtige Sitzhaltung und Ernährungsweise. Findet ihr nicht auch, daß dies besser ist, als über Tingedzin und Samten zu reden? Darüber rede ich heutzutage vor allem, wenn ich reise und Leuten Belehrungen gebe.
Bei der Meditation als analytischem Vorgang, als Anwendung der Meditation auf Gedanken und Gefühle, gibt es sehr viele Möglichkeiten. Wie schon erwähnt, kann man die Meditation auf die negativen Emotionen anwenden, und sie damit »brechen«. Wenn es aber um Anhaftung, Festhalten geht, muß man unterscheiden. Eine gewisse Art von Anhaftung ist brauchbar, eine gewisse andere Art jedoch nicht. Je nachdem, wie weit man ist, wird hier in der Meditation unterschieden. Man kann ja jeden einzelnen Gedanken untersuchen und bewirken, daß man, indem man den einzelnen Gedanken erkennt, auch ein Verständnis von der eigentlichen Natur dieses Gedanken gewinnt. Wenn man diesen einen Gedanken untersucht, kann er nicht länger existieren. Was aber bleibt, ist die dem Geist zueigene Stabilität. Dies eröffnet uns die Natur des Geistes, macht sie sichtbar für uns. Wenn sonst ständig Gedankenprozesse entstehen, hat man keine Zeit, ihre Natur zu erkennen. Ihre Natur ist verborgen. Jeden Gedanken analytisch zu untersuchen, läßt die Natur erkennbar und dann stärker und wahrhafter werden.
Emotionen wie Zorn, Eifersucht und so weiter werden vom buddhistischen Standpunkt als negativ gesehen. Von ihrem Entstehen im Geist her sind sie wie alle anderen, einfach Gedanken, ohne viel Negatives. Sie pflanzen aber eine Ursache in den Geist, die etwas Negatives hervorbringen wird. Man hat ja ansonsten verschiedene Reaktionen und Gedanken, wenn man etwa ein äußeres Objekt sieht, denkt man vielleicht: »Es ist blau, hat die und die Form usw.« Dies ist ein neutraler Gedanke, ohne positive oder negative Wirkung. Zorn und Eifersucht können aber etwas Negatives hervorbringen, das man nicht haben sollte und man wieder entfernen muß. Zugleich will der Praktizierende nicht zuviel Gedanken im Geist haben. Einerseits versucht er also den Geist zu beruhigen, und andererseits will er die Negativität aus dem Geist entfernen. In diesem Sinn geht es darum, daß man die analytischen Methoden auf die Gedanken anwendet und insbesondere fähig wird, mit denen umzugehen, die negative Konsequenzen nach sich ziehen.
Gleichzeitig wird man dadurch auch weniger Anhaftung an Sinneseindrücken erleben. Es ist auch gut, sich davon etwas zurückzuziehen, wenn man die Meditation in dieser Form aufbaut, wenn man dabei ist, Konzentration zu entwickeln. Wenn man sich nämlich zu sehr an äußeren Dingen orientiert und sich viele Vorstellungen davon macht, wie etwas sein sollte und wie man etwas erleben möchte, wird es schwierig sein, den Geist zu konzentrieren und zur Ruhe kommen zu lassen. Man tendiert automatisch dazu, an diesen äußeren Sinneseindrücken stark festzuhalten und daraus entsteht immer mehr Ablenkung.
Wenn man diese Ebene von Geistesruhe erreicht hat, erlebt man einen sehr ruhigen, friedvollen Geist. An diesem Punkt verliert auch die analytische Meditation ihr Einsatzfeld, da ja die Bewegungen im Geist, die zuvor das Ziel waren, auf das man sich mit der analytischen Meditation ausgerichtet hat, nicht mehr in dem Ausmaß bestehen. Gleichzeitig ist diese Ebene der Geistesruhe ein Zustand, in dem man totale Ruhe erlebt, woran man dann durchaus wieder anhaftet.
Wenn diese Ebene von Geistesruhe gereift und stabil ist, versucht man eine tiefgründigere, höhere Ebene zu erreichen.
Man setzt hier, wie zuvor, die analytische Meditation ein, indem man sie diesmal genau auf die Anhaftung an dem Zustand der Geistesruhe ausrichtet. Man hat hier etwas erlangt, was völlig verschieden von unserem verwirrten Geist ist. Jetzt ist der Geist sehr friedvoll geworden, sehr stabil, und es ist sehr sehr angenehm. Daran haftet man an, und diese Anhaftung verschließt einem das Tor zu weiterer Entwicklung. Die analytische Meditation auf das subtile Gefühl der Anhaftung ist hier der Schlüssel, der das Tor öffnet. Wenn diese Anhaftung gelöst wird, wird die Meditation spontan viel tiefer werden. Diese Entwicklungsphase geht man bei konzentrativer Meditation durch.
Wenn jemand jetzt hier weiter nach dem »Wie« und »Warum« fragt, kann man nicht wirklich eine Antwort geben, obwohl unsere Sprache wie gesagt etwas besser ist als die Katzensprache. Diejenigen, die die entsprechenden Erfahrungen gemacht haben, haben bestimmte Begriffe dafür geprägt. Alle, die auf gleicher Ebene sind, können damit untereinander kommunizieren, aber nicht mit uns. Wenn man die entsprechende Erfahrung hinter dem Begriff nicht kennt, geht das nicht. Ich könnte beispielsweise sagen: »Danach werdet Ihr die zweite Stufe von Samten erreichen.« Versteht Ihr das? Man muß die Erfahrung davon machen, dann versteht man es auch.
Der Buddha hat einmal das Samadhiraja-Sutra gelehrt, in dem alle möglichen Arten von Tingedzin beschrieben sind. Die Frage ist nur: Wer versteht es? Ein gewöhnlicher Mensch kann es nicht verstehen. Warum hat es der Buddha dann gelehrt? Der Grund ist, daß er damals einen hochqualifizierten Schüler, der es verstand, gehabt haben muß. Wir haben dieses von Buddha gelehrte Sutra heute, obwohl wir es nicht verstehen. Aber wir haben die Möglichkeit, zu dem Punkt zu kommen, wo wir verstehen werden, was der Buddha da gelehrt hat.
Wir gehen das an, indem wir uns damit beschäftigen, indem wir mit unserer Art zu kommunizieren, besser als die der Katzen, die tiefe Bedeutung immer mehr verstehen.
Bodhisattvas gehen so vor, daß sie diese Meditationen verwenden und gleichzeitig aber eine gewisse Art von Anhaftung an die physische Form bewahren, welche die Ursache für Wiedergeburt ist. Sie verwenden gerne all diese Samadhis. Einerseits verwenden sie die Meditationen wie auf dem Theravada-Weg. Vor allem aber verwenden sie die Kraft des Samadhis dazu, zusätzlich die Möglichkeiten für Wiedergeburt in Samsara zu schaffen, um den Wesen helfen zu können.
Alle fühlenden Wesen haben die Ursache für Wiedergeburt in Samsara. Wie man dann geboren wird, ist Sache des Karma. Um ein guter Bodhisattva zu sein, muß man Belehrungen von Buddha oder einem Bodhisattva bekommen haben. Sie wissen sehr viel darüber, welche Ursache zu welcher Wirkung führt, wie Samsara entsteht, welche Ursachen hinter all dem Positiven und Negativen in Samsara stecken. Ein Bodhisattva kennt all diese Details, da er all die Belehrungen von einem Buddha oder hochqualifizierten Bodhisattva bekommen hat.
Ein Bodhisattva hat sehr viel Mut, den Wesen zu helfen. Um ihnen helfen zu können, muß ein Bodhisattva Kontrolle über die Illusionen haben. Wenn er die Kontrolle darüber hat, kann er Illusionen erschaffen. Um diese Konrolle zu erlangen, geht er bis zu einem gewissen Punkt durch die Theravada-Praxis und wechselt dann.
Bodhisattvas wissen, daß alles, das ganze Universum und all die Wesen, eine Illusion ist. Wenn man fragt, inwiefern, so beantworten dies ganz logisch die Belehrungen des Madhyamaka. Alles ist in gegenseitiger Abhängigkeit, wird dort gesagt. Alle Dinge, die in gegenseitiger Abhängigkeit entstanden sind, sind illusonär, ohne Wirklichkeit.
Immer wenn es Ursachen gibt, gibt es Illusion. Ein Bodhisattva weiß, daß dieses Universum von Karma herrührt, das in der Vergangenheit angesammelt wurde und jetzt herangereift ist. Da er die Ursachen kennt, versucht der Bodhisattva, eine Illusion im positiven Sinne zu erzeugen, um den fühlenden Wesen zu helfen. Deshalb gibt es die Bodhisattva-Praxis der »Paramita des Wünsche machens«, wo die Bodhisattvas sehr viele Wünsche für die fühlenden Wesen machen. Buddha Amithaba zum Beispiel machte Wünsche, daß er ein Reines Land für die Wesen manifestieren könne, wo sie leicht geboren werden könnten, Samsara entsagen und erleuchtende Praktiken üben könnten. Er machte einmal diesen Wunsch und wußte andererseits auch, was für die Erfüllung nötig war: Die Ursache dafür ist Positives, wie man es durch die Praxis von Großzügigkeit, Ethik, Geduld usw. aufbaut. Um etwas Gutes für die Wesen zu schaffen, machen die Bodhisattvas die Wünsche für die Wesen. Damit sie auch wahr werden, sammelt der Bodhisattva die Ursachen dafür an. Buddha Amithaba ging durch viel Praxis dieser Ansammlung von Positivem, damit seine Wünsche für die Wesen sich erfüllen, was auch geschah.
Obwohl alles Illusion ist, sind nicht alle Illusionen negativ. Es gibt viele Dinge, die die Wesen brauchen. In dieser Weise weiß ein Bodhisattva um das Gesetz von Ursache und Wirkung und nutzt es.
Dies ist der einzige Unterschied zwischen Theravada und Mahayana. Im Theravada wird besonders stark Betonung auf Meditation gelegt, auf das Entfernen von allem Negativen im Geist, um dadurch ganz schnell die eigene Befreiung zu erreichen. Der Bodhisattva nimmt weiter Teil an Samsara und erreicht durch das Wirken zum Wohl der Wesen und die Praxis in der Weise Erleuchtung. Aufgrund dieser Einstellung ist die Erleuchtung, die auf dem Bodhisattva-Weg erlangt wird, umfassender und größer. Theravada und Mahayana beginnen hinsichtlich der Vertiefung am gleichen Punkt. Vajrayana ist eigentlich genauso, aber es kommen noch sehr gezielte Methoden, wie zum Beispiel die Visuali-sierungen der Buddha-Aspekte, hinzu. Alles hängt hier zusammen. Der momentane Geist beispielsweise, der wieder und wieder Geburt annimmt, wird in ein bestimmtes Bild, einen Buchstaben verwandelt. Ein Beispiel dafür ist die vielen von Euch vertraute Meditation auf Avalokiteshvara (Chenresig). Zuerst stellt man sich vor, daß der eigen Geist in Form der Keimsilbe HRI von Chenresig entsteht. Dieses Erscheinen als Silbe HRI ist der erste Geistesmoment. Dies hat eine gewisse Kraft die Gewohnheit des Geistes, immer wieder Form, Geburt anzunehmen, aufzulösen.
Später verwandelt sich die Silbe in Chenresig. Dieses Visualisieren von Chenresigs Form, beseitigt die Gewohnheit des Geistes, eine Form zu haben. Es ist hier ganz gleich, was für eine Form, eine menschliche oder was auch immer. Während man sich nun mit der Form Chenresigs identifiziert, werden all die gewöhnlichen Aktivitäten wie reden, essen, sich kleiden usw. in die Aktivität von Chenresig transformiert . Später löst sich Chenresigs Form in sich selbst auf. Dies reinigt die Gewohnheit von Alter und Todes. Nach dem Sterben wird der Geist zuerst bewußtlos. Um dies zu reinigen, übt man die Auflösungsphase. So funktioniert Vajrayana. Man benutzt sehr dynamische Methoden, um alle möglichen Arten von samsarischen Gewohnheiten zu reinigen. Die Auflösungsphase ist dann der Punkt der Meditation, wo man in die Mahamudra-Praxis übergeht.
Dies war ein grober Überblick über die Meditation, wie sie im Theravada, im Mahayana und Vajrayana praktiziert wird. Dies war nur ein kurzer Überblick, ohne in Details zu gehen.
Die Vajrayana-Meditation ermöglicht grundsätzlich schnelle Resultate, da sie viel Energie hat. Es gibt hier aber auch die große Gefahr, Fehler zu machen, die Praxis zu verderben. Natürlich braucht man für jede Art von Meditation einen Lehrer und besonders beim Vajrayana braucht man sehr häufige Anleitung.
Ich habe versucht, hier einen Eindruck davon zu vermitteln, was im Buddhismus mit Meditation gemeint ist, entsprechend den drei buddhistischen Fahrzeugen. Für die eigentliche Meditation müßt Ihr Euch dann an den stufenweisen Weg halten, den jetzt hier zu erklären nicht möglich ist.
Ein wichtiger Ratschlag für Meditation ist: Zu Anfang muß man sich eine gewisse Zeit lang sehr anstrengen und geduldig sein. Wenn Ihr dann ein gewisses Resultat erlangt habt, werdet Ihr zufrieden sein. Vom Entstehen dieser Zufriedenheit an, werdet Ihr der Meditation nie mehr überdrüssig sein. Große Freude wird entstehen. Aber dann werden Euch die Lehrer bestimmt sagen, daß Ihr daran nicht anhaften sollt.
Übersetzt von T. Draszczyk und D. Göbel
Copyright © 1996 Karma Kagyu Buddhist Network