Will man eine Krankheit heilen, so ist immer die erste Frage: Wie entsteht sie überhaupt? Nach der Auffassung tibetischer Mediziner braucht ein gesunder Körper „sieben mal zwei Handvoll gutes Blut". Diese Maß verringert sich durch bestimmte negative Einflüsse wie einen Unfall, nach starkem Alkoholkonsum oder auf Grund von Traurigkeit. Solche Einflüsse schwächen das Blut ebenso wie Umweltverschmutzung und schlechte Nahrung. Zusätzlich befinden sich im Wind winzige Lebewesen, kleine Organismen, die in den Körper eindringen, sich mit den ‘guten’, für den Körper nützlichen Mikroben mischen und diese schwächen.
Die nützlichen wie auch die schädlichen Mikroben werden „Bu" genannt, und es gibt 18 verschiedene Arten. Sie sind sehr klein und haben einen großen Mund, an dem sich noch kleinere Tierchen ansiedeln.
An der amerikanischen Harvard-Universität spricht man ebenfalls von solchen kleinen Tierchen, was mit den Erklärungen in unseren Medizinbüchern übereinstimmt, auch wenn sich keineswegs alle westlichen Mediziner darüber einig sind.
In unseren Medizinbüchern jedenfalls steht, daß einige Arten von Bu wuchernde Geschwüre im Fleisch hervorrufen, die aber nicht in jedem Fall Krebs sind. Insgesamt kennen wir 15 verschiedene Arten von Tumoren in verschiedenen Formen:
Eine andere mögliche Krankheitsursache ist Unterkühlung. Die Gewohnheit, Kaltes zu essen und zu trinken, wie Eis, kalte Speisen oder kalte Milch, aber auch zu leichte Kleidung, reduzieren das Feuerelement. So geht innere und äußere Hitze verloren, was durch die Leber ausgeglichen werden muß. Sie erzeugt dabei wieder minderwertiges Blut.
Eine weitere, bereits genannte Ursache sind Unfälle. Schon ein starker Schlag in die Leber genügt, damit sie schlechteres Blut produziert. Auch eine Operation kann die Ursache sein.
Krebs entsteht so wie alles in der Natur: Ebenso wie ein Samenkorn nur dann zur Frucht heranreifen kann, wenn alle Bedingungen stimmen und es genügend Wasser, Licht und Wärme erhält, bricht die Krankheit nur unter gewissen fördernden Bedingungen aus. Deshalb wird in unseren Medizinbüchern auch immer großer Wert auf ausgewogene Lebens- und Eßgewohnheiten gelegt. Andernfalls verringert sich über viele Jahre hinweg zunehmend die Qualität unseres Blutes. Da dieser Prozeß so viele Jahre dauert, bricht die Krankheit lange nicht akut aus. Wenn der Krebs jedoch einmal die wichtigsten inneren Organe wie Lunge, Leber, Galle oder Niere befallen hat, ist er kaum mehr mit Medikamenten zu heilen. Im fortgeschrittenen Stadium ist kaum eine Krankheit mehr heilbar. Das gilt nicht nur für Krebs.
Früher gab es in der tibetischen Region Kham viele Medizinbücher, von Autoren wie Choky Situ, Kongtrul und anderen Persönlichkeiten, in denen ausgezeichnete Rezepte für Krebsmedizinen enthalten waren. Alle diese Bücher wurden von den Chinesen in der tibetischen Stadt Amdo verbrannt, was für die Wissenschaft ein unersetzlicher Verlust ist. Jetzt ist uns nur noch ein einziges Buch über Krebsmedizin geblieben. Es stammt aus Lhasa und ist in meinem Besitz.
Wir unterhalten einen regen Austausch mit westlichen Medizinern, diskutieren und stellen Fragen. Im Westen kann man Krebs rasch diagnostizieren, aber in vierzig Jahren Krebsforschung ist es nicht gelungen, ein wirklich wirksames Medikament zu entwickeln. Ich bin davon überzeugt, daß die tibetische Medizin dies kann. Wir haben sehr vielfältiges Wissen über Medikamente, und hier können wir eine konkrete Hilfe anbieten, die zusammen mit den Kenntnissen im Westen sinnvoll eingesetzt werden kann.
Wie soll man mit den Schmerzen bei Krebs umgehen?
Natürlich gibt es Medikamente, die die Schmerzen zumindest lindern, auch wenn sie keine Heilung mehr ermöglichen. Jeder physische Schmerz ist aber auch ein geistiger, und darin besteht die Schwierigkeit. Denn geistige Schmerzen können durch Medikamente nicht gelindert werden. Jede Krankheitserfahrung ist immer mit geistigem Leid verbunden, dessen Ursache in der Vergangenheit liegt - im vergangenen und in diesem Leben. Die karmische Wirkung negativer und positiver Handlungen fällt auf uns wie ein Regen, dem wir nicht entgehen können.
Wenn wir jetzt unser Leben betrachten und uns ausschließlich mit unseren eigenen Schmerzen beschäftigen, dann ist das auch keine Hilfe für die Zukunft. Nach unserem Religionsverständnis müssen wir nur das erdulden, was wir selbst in einer vergangenen Existenz durch negative Handlungen geschaffen haben. Diese Erkenntnis führt uns von unserer Selbstsucht weg. So wird es wichtiger, daß wir uns mit guten Wünschen dem Wohl der anderen zuwenden.
Im Westen setzt sich die Behandlung von Krebs im wesentlichen aus drei Elementen zusammen: Das sind Chemotherapie, Bestrahlung und Operation. Worin besteht die Behandlung von Krebspatienten in der tibetischen Medizin?
Es gibt verschiedene Methoden:
Gibt es eine Medizin zur Nachbehandlung, um das Wiederauftreten von Krebs zu verhindern?
Wir sind dabei eine solche Medizin zu entwickeln. Die bisherige Medizin dient vor allem dazu, die Krankheit aufzuhalten. Das Wichtigste ist jedoch, sich vor schädigenden Umwelteinflüssen, die krebsfördernd sind, zu schützen.
Was ist eine ausgewogene Ernährung?
Es gibt die verschiedensten Nahrungsmittel. Sie haben einen sauren, süßen, scharfen oder anderen Geschmack. Man sollte sich nicht einseitig ernähren und eine gewisse Vorliebe für eine Geschmacksrichtung haben, sondern gemäßigt und von jedem etwas zu sich nehmen: Das gleiche gilt für den Alkohol. Jede extreme Lebensweise bringt den Körper aus dem Gleichgewicht. Deshalb sollte man seine Lebensweise immer wieder korrigieren und so mäßig wie möglich leben.
Wie verbreitet war Krebs in Tibet?
Der Prozentsatz von Krebskranken in Tibet ist mit dem im Westen nicht zu vergleichen. Bereits in Indien gibt es wesentlich mehr Krebskranke. Als ich 198o Tibet verließ, war ich vorher zwanzig Jahre im Gefängnis und habe in dieser Zeit für die Chinesen als Arzt gearbeitet. Dabei sind mir in meiner ganzen Praxis vielleicht sieben oder acht Krebskranke untergekommen. In Tibet gab es ja auch keine Umweltverschmutzung. Jetzt gibt es einige Autos in Lhasa, also kommt sie auch hier. Früher gab es in Lhasa auch keine Kranken. Die Alten hatten natürlich ein bißchen Arthritis und Rheumatismus in den Knien, aber sonst hatte niemand Beschwerden. Vor allem am Anfang des Jahres, im vierten Monat, gab es überhaupt keine Kranken, weil die Luft zu dieser Zeit besonders klar war.
Als die Chinesen 1959 Tibet endgültig mit Waffengewalt unterwarfen, floh der Dalai Lama nach Indien, Dr. Tenzin Chödrak aber nahmen sie gefangen und warfen ihn als ‘Feind des Volkes’ in ein Internierungslager. Er bezeichnet es heute noch als ein Wunder, daß er nach 17 Jahren Folter, Hunger und Kälte wieder lebendig herausgekommen ist (von anfangs 76 Häftlingen überlebten nur vier). Einer der Gründe für sein Überleben dürfte die Erkenntnis der Gefängniswärter gewesen sein, daß er sogar sie heilen konnte. Nachdem er viele Chinesen von oft schweren und chronischen Leiden geheilt hatte, durfte er 1980 Tibet verlassen. Heute ist er wieder der Leibarzt des Dalai Lama und leitet das tibetische medizinisch-astrologische Institut in Dharamsala.
Der Verein Chakpori Gesellschaft zur Förderung der Tibetischen Medizin wurde 1986 auf Anregung des tibetischen Arztes Dr. Trogawa Rinpoche gegründet. Er organisiert Seminare und Vorträge renommierter tibetischer Ärzte.
Informationen: Chakpori Gesellschaft zur Förderung der Tibetischen Medizin c/o Florian Lauda Pötzleinsdorfer Straße 59 A-1180 Wien oder Miky Saly Mittermaierstr. 29 8000 München 40 Tel.: (089) 3003484
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