Homepage Pro 3.0
FileMaker,
Inc.
Bereits in
der Vorgängerversion 2.0 hat sich der HTML-Editor Homepage zu einer ernsthaften
Konkurrenz gegenüber dem Genre-Vorreiter PageMill von Adobe Systems und anderen
Editoren im unteren Marktsegment entwickelt. Doch während Claris - jetzt FileMaker,
Inc. - ihre Software weiterentwickelt, scheint man bei Adobe kein rechtes Interesse
an einer Verbesserung ihres Einsteigerprogramms PageMill zu haben. Auch das im Jahre
1995 zusammen mit PageMill auf dem Markt erschienene Ergänzungsprogramm SiteMill,
mit dem eine komplette Site, einschließlich Überprüfung aller Querverweise,
verwaltet werden kann, verstaubt in Adobes Entwicklungsabteilung.
Grund genug für den Konkurrenten FileMaker, Inc., auch dieses Seitenverwaltungs-Feature
in die neuste Version von Homepage zu integrieren. Zu diesem Schritt kann man den
Hersteller nur beglückwünschen, denn zu einer leichten Bedienung gehört
- gerade im Bereich der Webseiten-Erstellung - immer auch eine leichte Organisation
der vielen untereinander verknüpften Seiten, Grafiken und Links. Die Integration
dieser Funktion kann durchaus als gelungen bezeichnet werden: Der Site-Editor unterstützt
Drag-and-Drop vom Finder aus, bietet eine globale Suchfunktion, überprüft
Verknüpfungen und kann zum direkten Upload der kompletten Site in ein FTP-Verzeichnis
eines Servers genutzt werden. Das Programm erlaubt es ebenfalls, einen Ordner für
Grafiken, Filme, Tondateien etc. zu erzeugen, auf den dann bei allen relevanten Verknüpfungen
verwiesen wird. Der neue Site-Editor ist - gerade bei umfangreichen Sites - eine
echte Arbeitserleichterung. Mit dieser Erweiterung schließt Homepage ein kleines
Stück zu der Klasse der professionellen Seiteneditoren wie Golive CyberStudio
auf - allerdings nur ein kleines Stück, denn eine grafische Darstellung der
Seitenverzweigungen und -Verknüpfungen bietet der Site-Editor von Homepage 3.0
nicht.
Um mit Programmen dieser Größenordnung konkurrieren zu können, hat
Homepage aber noch einen weiten Weg vor sich: Besonders im Bereich des Handlings
von Tabellen und Frames genügt das Programm professionellen Ansprüchen
in keiner Weise, auch wenn es hier nunmehr bei der Tabellengestaltung mit Symantec
VisualPage mithalten kann. War die Gestaltung speziell von HTML-Tabellen mit Homepage
2.0 noch eine mühsame und umständliche Angelegenheit, so hat der Anwender
mit Homepage 3.0 nun Zugriff auf fast alle Funktionen, die HTML bei der Formatierung
von Tabellen im Moment bietet. Zudem ist es in der neusten Version endlich möglich,
mehrere Zellen einer Tabelle gemeinsam zu formatieren.
Bei der Ansicht von Frames ist Homepage 3.0 jetzt
nicht mehr auf einen externen Browser angewiesen, sondern kann den Inhalt mehrerer
Frames nun selber darstellen. Diese Funktion ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit,
muß aber wegen den Schwächen der Vorgängerversion angesprochen werden.
Der Version 3.0 von Homepage sieht man quer durch das gesamte Programm an, daß die Entwickler sich nicht nur auf einige wenige neue Funktionen beschränkt haben,
sondern daß überall kleine Mängel ausgebessert wurden und das das
Programm deutlich abgerundet wurde. So bietet die Software nun auch eine Farbpalette
mit den 216 Webfarben. Die sinnvolle Bedienung bei der Formatierung einzelner Objekte
durch eine schwebende Objekt- und eine Linkpalette wurde ausgebaut. Fast jede Möglichkeit,
die HTML dem Nutzer bei der Formatierung im Moment bietet, kann hier eingestellt
werden. Sollte eine Formatierungsmöglichkeit von Homepage nicht vorgesehen sein,
kann der Anwender durch Eingabe des entsprechenden HTML-Codes diesen trotzdem auf
das Objekt anwenden. Hier haben die Entwickler bewiesen, daß sie sich ernsthafte
Gedanken darüber gemacht haben, wie ein sinnvoller Kompromiß zwischen
Bedienung und Funktionsumfang zu finden ist. Zudem haben sie mit dieser Funktion
der rasanten Entwicklung in der HTML-Sprache Rechnung getragen, die es Softwareherstellern
fast unmöglich macht, in entsprechend kurzen Abständen Updates ihrer Editoren
auf den Markt zu bringen.
Die ebenfalls erheblich verbesserten Vorlagen und neu hinzugekommenen Assistenten
geben dem Programm im Einsteigerbereich einen echten Vorsprung gegenüber der
Konkurrenz: Die Erstellung eigener Sites war sicher niemals zuvor einfacher - für
einen Einsteiger. Fortgeschrittene Anwender profitieren von diesen Arbeitserleichterungen
nicht in dem Maße, wie es ein Einsteiger tut, denn die Veränderung einer
durch einen Assistenten erstellten Site kann oft mehr Arbeit verursachen, als die
komplette Neuerstellung.
Die wohl wichtigste Neuerung von Homepage 3.0 bietet jedoch die Anbindung an Filemaker-Datenbanken
über die neu geschaffene HTML-ähnliche Claris-Dynamic-Markup-Language (CDML).
Über diese Kommandos ist es möglich, den Inhalt angebundene Datenbanken
aus einer Webseite heraus zu betrachten und zu durchsuchen. Bei der Vergabe entsprechender
Rechte kann die Datenbank natürlich auch von jedem HTML-Browser heraus verändert
werden. Die Verbindung erfolgt dabei über die Zusatzsoftware Web-Companion,
die Claris der Version 4.0 von FileMaker beigefügt hat. Dieses Programm übersetzt
CDML-Befehle in Standard-Filemaker-Kommandos.
Auch für die Verbindung von Filemaker-Datenbanken mit eigenen Websites hat der
Hersteller einen Assistenten entwickelt, der die Verbindung erleichtern soll - und
dabei durchaus sehr erfolgreich vorgeht. Es sollte aber nicht verschwiegen werden,
daß ein solches Datenbank-Projekt von der Komplexität her eine andere
Dimension einnimmt, als die Erstellung von Standard-Seiten. Doch mit der Verwendung
des Verbindungs-Assistenten kommen Anwender auch nach kurzer Einarbeitungszeit zu
ansehnlichen Ergebnissen. Somit verkehrt sich der von uns bei unserem FileMaker 4.0 Test vorgebrachte Kritikpunkt - Claris versuche mit dem Web-Companion
Anwendern die wenig Update würdige Version 4.0 ihrer Datenbanksoftware schmackhaft
zu machen - ins Gegenteil. Homepage und FileMaker Pro 4.0 entwickeln sich zu einem
echten Team, daß besonders Einsteigern eine Lösung verkauft, nicht mehr
nur zwei Programme. Das ist eine äußerst positive Entwicklung und vielleicht
sogar der Beginn eines "Home-User E-Commerce", bei dem das Ergebnis der
alljährlichen Speicher-Entrümpelung potentiellen Kunden weltweit über
Internet offeriert werden kann...
Bei dieser Fülle an Neuerungen dürfen aber auch die Schattenseiten des
Programms nicht vergessen werden, denn leider gibt es immer noch eine Reihe von Einschränkungen,
mit denen sich ein Homepage-Anwender auch in der neusten Version abfinden muß:
Das User-Interface bietet kaum Neuerungen, obwohl gerade hier bereits die Vorgängerversion
sichtbare Defizite gegenüber der Konkurrenz aufzuweisen hatte. So ist es z.B.
absolut unverständlich, warum Homepage immer noch drei Buttons für die
Ausrichtungsmöglichkeiten links, rechts, zentriert benötigt, obwohl das
Programm (endlich) auch das rechts- bzw. linksbündige Umfließen einer
Grafik bietet. Diese Ausrichtungsmöglichkeiten hätte man wunderbar - ähnlich
Symantec VisualPage - in einem Popup-Menü unterbringen können. So muß der Anwender bei der Ausrichtung einer Grafik den Weg über die Objektpalette
wählen. Ein weiteres Manko ist die fehlende Möglichkeit, daß sich
Anwender entsprechend ihren Vorlieben individuelle Buttonleisten oder -paletten zusammenstellen
können.
Bei der pixelgenauen Positionierung der Objekte einer Seite hat Homepage - wie alle
Low-End WYSIWYG-Editoren - weiterhin große Defizite. Es ist immer wieder erschreckend,
zu sehen, welche Variationsbreite die mühsam erstellten Seiten bei der Darstellung
im Editor und den verschiedenen Browsern an den Tag legen. Homepage sorgt dabei immer
wieder für Überraschungen bei der Darstellung. Das dieses Problem in den
Griff zu bekommen ist, zeigen andere WYSIWYG-Editoren, wie z.B. Golive CyberStudio.
Doch eine echte Lösung dieses Positionierungsproblems bieten wohl weiterhin
nur Texteditoren, wie z.B. BBEdit. Somit bleibt Homepage selbst bei seinem erheblich
gewachsenen Funktionsumfang weiterhin keine Konkurrenz für die Editoren im oberen
Preissegment oder für die von vielen Profis bevorzugten Texteditoren.
Alexander
Reppel
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