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Der warme Sommer 94 - Vorbote einer Klimaänderung? Aussagen von Modellrechnungen.

Autoren: K.Hasselmann, U.Cubasch (Deutsches Klimarechenzentrum GmbH)

Die Rekordhitzewelle des Sommers `94 in Europa gab zu Spekulationen Anlaß, daß dieses eine Folge der vorausgesagten globalen Erwärmung durch die steigenden Treibhausgaskonzentrationen sein könnte. Mit 5 Grad Celsius über dem langjährigen Monatsmittelwert war der Juli `94 der heißeste Sommer seit Beginn der Registrierung.

Der Sommer `94 bestätigte die alte Bauernregel, daß die Großwetterlage, die am Siebenschläfertag (27. Juni) vorherrscht, auch noch für die nächsten 7 Wochen anhalten wird. Diese Regel traf auch im kalten, verregneten Sommer 93 zu und ist Ausdruck der bekannten meteorologischen Erscheinung, daß sich Großwetterlagen zum Beginn des Sommers allgemein stabilisieren.

Die Diskussion zum heißen Sommer `94 (der kalte Sommer `93 scheint schnell vergessen) erinnert an die widersprüchlichen Aussagen zum heißen und extrem trockenen Sommer 1988 in den Vereinigten Staaten, als der Mississippi bis auf ein kleines Rinnsal versiegte. Vor dem amerikanischem Kongress wurde dieses auch von einigen Klimaforschern als Vorbote der globalen Erwärmung deklariert, obwohl die Mehrheit der Experten die Dürre als Folge eines besonders starken natürlichen El Nino Ereignisses erklärten, einer alle paar Jahre unregelmäßig auftretenden anomalen Erwärmung des östlichen Pazifiks. Die starken Überflutungen des Mississippi im Jahre 1993 unterstrichen dann die Gefährlichkeit, aus einzelnen kurzfristigen, regionalen Klimaanomalien auf eine langfristige globale Klimaänderung zu schließen.

Grundsätzlich ist ein eindeutiger Nachweis einer globalen Klimaänderung nur mit Hilfe global verteilter Messungen über lange Zeiträume möglich. Aus solchen Meßreihen hat man einen Anstieg der global gemittelten Temperatur der Erde um etwa 0,7 Grad Celsius in den letzten hundert Jahren ermittelt. Dieser Anstieg stimmt in der Größenordnung mit Modellrechnungen der Temperaturerhöhung infolge der bisherigen Zunahme der Treibhausgase überein. Er liegt aber auch noch im Bereich der natürlichen Klimaschwankungen und kann daher noch nicht mit Sicherheit auf menschliche Einwirkungen zurückgeführt werden. Auf alle Fälle kann der geringfügige bisherige globale Temperaturanstieg von weniger als einem Grad nicht überzeugend in kausale Verbindung zu extremen lokalen Temperaturanomalien in der Größenordnung von 5 Grad gebracht werden. Es ist höchsten durch eine leichte Anhebung der mittleren Referenztemperatur eine geringfügige Erhöhung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens solcher extremen Hochtemperaturereignissen zu erwarten. Die Schwierigkeit, Trends aus einzelnen Anomalien abzuleiten zu wollen wird jeder verstehen, der einmal versucht hat, am Strand aus den Auflaufhöhen einzelner Wellen zu entscheiden, ob gerade Ebbe oder Flut ist. Ein Pegel, der den Wasserstand mittelt, gibt hierüber wesentlich schneller Auskunft als eine Betrachtung einzelner Wellen.

Es ist gelegentlich spekuliert worden, daß eine globale Erwärmung nicht nur zum vermehrten Auftreten von hohen Temperaturen durch die Anhebung des Mittelwertes führen würde, sondern auch zu einer Erhöhung der Schwankungsamplituden der Klimaanomalien an sich führen würde, daß also mit vermehrten Stürme, Überschwemmungen und anderen Katastrophen zu rechnen sei. Diese Vermutungen sind von Modellrechnungen bisher nicht bestätigt, aber auch nicht eindeutig widerlegt worden. Die Auflösungen der Modelle reichte bisher nicht aus, um hierzu zuverlässige Prognosen zu erstellen. Mit dem neuen Cray Superrechner C916 hofft man, diese Fragen zuverlässiger beantworten zu können.

Zusammenfassend ist also festzustellen: weder die Beobachtungen noch die bisher durchgeführten Modellrechnungen lassen den Schluß zu, daß der Rekordsommer `94 in Europa ursächlich auf die globale Erwärmung zurückzuführen ist.

Die aktuelle wissenschaftliche Diskussion über die Frage, ob wir die heute noch relativ kleine anthropogene Klimaänderung bereits feststellen können - wir liegen dicht an der Grenze des Nachweises, der aber nur an langen globalen Datenzeitreihen, nicht an regionalen Einzelereignissen zu führen sein wird - sollte nicht von der Auseinandersetzung mit den Folgen der wesentlich größeren globalen Erwärmung ablenken, die uns nach den vorliegenden Modellrechungen im nächsten Jahrhundert bevorsteht. Bei einem unverminderten Zuwachs der Treibhausgasemissionen wird eine globale Erwärmung von etwa 3 Grad Celsius gegen Ende des 21. Jahrhunderts prognostiziert. Ungewöhnlich heiße Sommer werden dann zur Norm, und es ist mit großen Verschiebungen der Klimazonen der Erde zu rechnen.

Eine zuverlässige Prognose der zu erwartenden regionalen und jahreszeitlichen Klimaänderungen - einschließlich der für die Lebensbedingungen des Menschen besonders wichtigen Verschiebungen in den Häufigkeiten von extremen Ereignissen - kann nur mit Hilfe aufwendiger Rechnungen mit komplexen Klimamodellen erstellt werden. Derartige Rechnungen können nur an wenigen Forschungsinstitutionen, die über die notwendigen leistungsfähigen Supercomputer verfügen, durchgeführt werden. Am DKRZ wurde der wohl bisher umfangsreichste Satz solcher Computersimulationen erstellt. Aber auch in diesen Rechnungen war die räumliche Auflösung bei etwa 500 km noch nicht ausreichend, um z.B. eine veränderte Häufigkeit von Stürmen oder Dürreperioden zuverlässig vorauszusagen.

Mit der neuen Großrechenanlage am DKRZ, die am 16.9.94 offiziell eingeweiht wird, wird es möglich sein, die künftige Entwicklung des Klimas mit höherer räumlicher Auflösung zu berechnen. Aus solchen Simulationen wird man dann insbesondere auch die Änderungen der Häufigkeiten von extremen Ereignissen zuverlässiger ermitteln und somit besser beurteilen können, wann in der Zukunft die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Hitzewelle sich signifikant erhöht haben wird.

Abbildungen:

Die Abbildungen geben an, was in den Klimasimulationen am DKRZ für Mitteleuropa vorhergesagt wird und ab wann man erwarten kann, den anthropogenen Treibhauseffekt global eindeutig zu erkennen:

Abbildung 7: Die Temperatur der bodennahen Luftschichten über Mitteleuropa für jeden Monat, ihre Veränderung und ihre doppelte Standardabweichung (als Maß der Variabilität) bei einer Verdopplung bzw. Verdreifachung der CO2 Konzentration in der Atmosphäre. Diese Werte wurden in sogenannten Zeitscheibenexperimenten mit der für Klimaänderungssimulationen hohen Auflösung von ca. 250 km für einen Zeitraum von 30 Jahren berechnet. Man erkennt deutlich einen allgemeinen Anstieg der Temperatur bei einer Zunahme der Treibhausgase, besonders extrem im Sommer bei einer CO2 Verdreifachung. Die Temperatur der Klimaänderung liegt signifikant über der heutigen Temperatur, jedoch kann keine eindeutige Änderung der Standardabweichung und damit der Variabilität nachgewiesen werden.

Abbildung 8: Die monatsweise gemittelte tägliche Minimal- und Maximaltemperatur und ihre Veränderungen in den bodennahen Luftschichten über Mitteleuropa, simuliert in den Zeitscheibenrechnungen. Neben der allgemeinen Zunahme der Minimum- und Maximumtemperatur erkennt man, daß bei einer Verdreifachung der CO2 Konzentration der Minimum- Maximumunterschied (d. h. der Tag-Nachtunterschied) im Sommer zu- und im Winter abnimmt.

Abbildung 9: Die jahreszeitlichen Mittelwerte des Niederschlages und seiner Intensität, sowie die Anzahl der trockenen Tage und die Länge von Trockenheitsperioden, simuliert in den Zeitscheibenrechnungen für das heutige Klima (Säule 1), bei einer Verdopplung (Säule 2) bzw. Verdreifachung (Säule 3) der CO2 Konzentration in der Atmosphäre, jeweils für Mitteleuropa. Man erkennt in allen Jahreszeiten bis auf den Winter eine Abnahme der Niederschläge bei zunehmender CO2 Konzentration bei einer gleichzeitigen leichten Zunahme der Starkregenereignisse. Die Anzahl der trockenen Tage wächst im Jahresmittel an, wobei die längeren Trockenperioden besonders stark zunehmen.

Abbildung 10: Die zeitliche Entwicklung der gemittelten bodennahen Lufttemperatur in einem 150 Jahres Experiment mit dem Hamburger Modell (EIN) für das IPCC 1990 Szenarium A ("business as usual"). Die Änderungen sind relativ zu den Jahren 1951-1980 berechnet worden. Die schattierte Fläche gibt die Variabilität der Simulation wieder. Das Klimaänderungssignal kann eindeutig vom Rauschen getrennt werden, wenn die schattierten Flächen von der Kontrollsimulation und dem Klimaänderungsexperiment auseinanderlaufen (etwa im Jahre 2020). Ebenfalls eingezeichnet: Die beobachtete Klimaänderung (grüne Kurve), die sich innerhalb der Variabilität des Klimamodelles bewegt. Dieses zeigt, daß das Hamburger Klimamodell das heutige Klima realistisch simuliert.

kfh/ ulc


DKRZ GIGAFLOPS 3/94